Von «Work/Life-Balance» zu «Life-Balance»

Persönlich habe ich Begriff «Work/Life-Balance» mit «Life-Balance» ausgetauscht.

Aufgrund meiner über 20-jährigen Selbständigkeit ist eine klare Trennung der beiden Welten «Work» und «Life» nämlich schlicht nicht möglich.

Homeoffice? Toll!

Folgende Aussagen höre ich letzten 2-3 Jahren vermehrt von vielen Coachees:

  • «Homeoffice ist schon was Tolles: Ich bin sehr flexibel, um privaten Tätigkeiten nachzugehen. Zum Beispiel wenn Handwerker im Haus sind, um die Kinder frühmorgens zur Schule fertigmachen, etc. Ausserdem fällt das ewige Pendeln weg, welches mir wichtige Stunden meines Lebens stielt – wer kann schon in der S-Bahn stehend arbeiten? Und nicht zu vergessen: ich kann sehr fokussiert arbeiten, ohne ständig durch KollegInnen gestört zu werden.»

  • «Homeoffice ermöglicht mir, gleichzeitig während meiner Arbeit Wäsche zu waschen. Wenn wir unsere Weekley-Online Meetings haben, schalte ich die Kamera aus und stelle den Laptop vorne auf mein Laufband – wird ja eh nichts Wichtiges im Meeting besprochen…»

  • «Homeoffice? Super! Da bin ich dann am Arbeiten, wenn ich mag. Oft habe ich spätabends Lust zu Arbeiten und kann dafür am nächsten Tag ins Fitness oder Motorrad fahren gehen. Als ich noch im Büro gehockt bin, war das nie möglich.»

Ja, die Homeoffice-Welt hat schon was für sich: Flexibilität, Produktivität, Kosten- und Zeit sparen, Mehr Familienzeit – unbestritten Riesen-Vorteile. Auch ich schätze das Arbeiten aus den eigenen vier Wänden sehr.

Homeoffice? Naja, nicht ganz sooo toll!

Gleichzeitig haben mich dieselben Menschen ja als Coach kontaktiert, weil:

  • «Ich fühle mich extrem überlastet und kann nicht mehr abschalten!»

  • «Beziehungsstress hat schon auch zugenommen»

  • «Manchmal komme ich eine ganze Woche nicht aus dem Haus, ausser um kurz einkaufen zu gehen. Eigentlich wie früher, als ich 9 Stunden im Büro gehockt bin»

(Ich frage mich dann jeweils, was denn dann sooo toll an Homeoffice ist…)

Gründe für die belastende Situation

Als Gründe für die belastende Situation fanden die Coachees unter anderem folgende heraus:

Wohnsituation nicht ideal

Wenn der Esstisch als Arbeitsplatz herhalten muss (da die Wohnung eben kein abgetrenntes Arbeitszimmer bietet), wird es schwierig, während dem Abendessen NICHT ans Arbeiten zu denken – wir sitzen ja de facto am «Büro»-Tisch.

Ablenkungen

Die Steuererklärung wäre noch auszufüllen, offene Rechnung warten auf Bezahlung, neben dem Pult locken die Jogging-Schuhe und hinten warten noch Kleider auf ein Bügeleisen. Zum Glück helfen die schönen Ferienfotos an meinem Bildschirm, meine Gedanken in angenehmere Themen abgleiten zu lassen…

Ist Dein Arbeitsplatz auf ARBEIT eingerichtet, oder ist es eher eine Mischung von Privat & Arbeit? Weg mit den Störfaktoren!

Soziale Isolation

Mehr als ein Coachee hat ausserdem festgestellt, dass sie zwar ständig in Online-Meetings mit vielen verschiedenen Ansprechpartnern (Kund:innen, Kolleg:innen) kommunizieren & chatten, aber gleichzeitig der enge Bezug zum Unternehmen und zu den Menschen völlig verloren ging. Der kurze Austausch an der Kaffeemaschine (welcher tolle Ideen generiert hatte) fehlt völlig.

Was braucht es, um im Homeoffice «Life-Balance» zu haben?

Es beginnt (wie meist) bei uns selbst: Eigenverantwortung & Selbstorganisation.

Eigenverantwortlich Arbeit erledigen und pflichtbewusst, effektiv und effizient arbeiten – klar! Schliesslich haben wir niemanden, der uns sagt was wann zu tun wäre…

Aber: Eigenverantwortliches Handeln bedeutet auch, auf sich selbst zu achten! Bewusst Pausen machen, bewusst in die Geschäftswelt einzutauchen und bewusst wieder daraus auszusteigen. Bewusst Körpersignale, Hinweise der Partner:in wahrnehmen. Und dann: Handeln!

«Selbstorganisation» wird klassischerweise verstanden als Frage von «Wie organisiere ich meinen Tag, meinen Arbeitsplatz, meine Agenda, etc.?». Sorry, falsche Frage!

Die richtige Frage wäre «Wie gut verteile ich die 24 h pro Tag?»!
Erhalten alle Deine Lebensbereiche (Arbeit, Familie, Hobby, ich selber, Wach-/Schlafzeit, etc.) den passenden, gesunden Anteil?

Was haben die Coachees geändert?

Schlussfolgerungen ziehen ist das eine – ins Handeln kommen, das Wichtige.

Fast alle Coachees haben aufgrund ihrer Selbstreflexion und Erkenntnisse begonnen, bewusst «hybrid» zu arbeiten: 1 bis 2 Tage Homeoffice alternierend mit 1 bis 2 Tage im Unternehmen vor Ort. Viele haben sich ein richtiges Arbeitszimmer eingerichtet und vom privaten Wohnraum separiert. Einige planen neu Zeitfenster ein, um fokussiert zwei Stunden an einem Thema zu arbeiten und leiten ihre Anrufe währenddessen (in Absprache) auf Kolleg:innen um.

Eine deutliche Verbesserung der Life-Balance war rasch sicht- und fühlbar. Die Effektivität hat ausserdem bei Vielen sogar zugenommen!

Fazit

Die Beispiele aus meinen Coachinggesprächen sind definitiv nicht repräsentativ für alle arbeitenden Menschen und alle Situationen. Dennoch glaube ich, dass sie signifikant genug sind, um ein paar wichtige Hebel aufzuzeigen:

Zeitmanagement ist Selbstmanagement

«Eigenverantwortlicher Umgang mit Zeit» bedeutet: die Arbeit an die Hand zu nehmen und richtig zu erledigen und gleichzeitig für das eigene Wohlergehen Verantwortung zu übernehmen und achtsam sich gegenüber zu sein.

«Selbstorganisation» im Umgang mit Zeit bedeutet: die Verteilung der 24 Stunden pro Tag so im Auge zu halten, dass alle Lebensbereiche den richtigen Anteil erhalten.

Dein Fazit?

Welche Strategien hast Du, um den Übergang vom Arbeiten zum Privaten (und zurück) zu gestalten? Wie achtsam gehst Du mit den 24 Stunden pro Tag um, wie achtsam mit Dir selbst? Baust Du bewusst Pausen ein (und hältst Dich daran)? Suchst Du bewusst den direkten Kontakt (nicht via Bildschirm!), um Dich mit Menschen auszutauschen? Hast Du genügend «Ich-Zeit»?

Falls Du oder Dein Team am Thema Stress-/Burnout-Prävention aktiv arbeiten möchtet: kontaktiere mich zum Thema «RELIEF» - ein super Instrument, um den persönlichen Umgang mit Stress, Strategien und Stressoren besser kennen zu lernen.»

Viel Erfolg beim bewusst «Zeit investieren»!

Dieter Hängärtner

Coach & Trainer

Dieter Hängärtner ist langjähriger Trainer und Partner der Rudolf Obrecht AG. Seine Stärken liegen nicht nur in der Entwicklung von New Talent-Lehrgängen sowie der Entwicklung Ihrer Mitarbeitenden in den Bereichen Führung, Verkauf und Kommunikation sondern auch in der differenzierten Weiterentwicklung der Mitarbeitenden mit Hilfe von Diagnostiktools.

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