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Für jedes noch so schwierige Problem gibt es immer eine Lösung – sauber, einfach, elegant und falsch. - Glaubenssätze

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Glaubenssätze

Für jedes noch so schwierige Problem gibt es immer eine Lösung – sauber, einfach, elegant und falsch.

Es gibt ja keine Managementliteratur, kein Führungsseminar und kein Verkäufer-Kick-off, in denen nicht über kurz oder lang auf das Thema «Glaubenssätze» hingewiesen wird – verbunden mit der mahnenden Klage, wie gefährlich Glaubenssätze doch seien.

Das ist falsch und unsinnig, weil zu schnell und zu einfach gedacht! Zunächst einmal sind Glaubenssätze ausgesprochen praktisch, weil sie es uns ermöglichen, mit einer gewissen Routine aus Selbstverständlichkeiten unseren Alltag zu meistern. Ohne Glaubenssätze müssten wir täglich die Welt neu erfinden – und das kann doch sehr anstrengend sein.

Glauben, also das Vertrauen auf die Wahrheit von Glaubenssätzen, kann Menschen ausgesprochen reich machen. Menschen, die in einem starken Glauben ruhen, haben häufig eine unglaubliche Ausstrahlung von Selbstsicherheit und Ruhe – eben weil sie angefüllt mit Glaubenssätzen sind, die für sie tatsächliche Lebensgewissheiten sind.

Glauben zu können kann höchsten Seelenfrieden schaffen und als pures Glück empfunden werden. Doch was ist, wenn aus dem «glauben dürfen oder können» ein «glauben müssen» wird?

Glaubenssätze sind immer kulturell eingebettet. Etwas glauben zu müssen, beginnt mit der Einflussname der Eltern. Alle kleinen Kinder lieben ihre Eltern. Warum sollten sie ihnen misstrauen? Dann folgen Priester und Lehrer, die Glauben einfordern. Die einen reden im Namen des Herrn und die anderen kennen die Wahrheit aus dem Lösungsheft. Wenn das Umfeld keine Reflexion zulässt, dann warten eben das Fegefeuer oder 72 Jungfrauen auf uns. Da ist kein Unterschied.

Glaubenssätze sind als religiöse Vereinfacher die ideale Grundlage für Drohkulissen oder Heilsversprechen. Selbstverständlich wirken sie auch in allen anderen Lebenslagen und -bereichen. Natürlich kann man auch glauben, dass das Universum schon liefern wird, wenn man nur den Wunsch als Bild klar vor Augen hat.

Wenn Glaubenssätze von Vorgesetzten, Chefs, CEOs oder Politikern vertreten werden, wird es ganz schnell ganz gefährlich. Zwischen «Wir schaffen das» und «Amerika first» besteht ebenfalls kein Unterschied.

Glaubenssätze scheinen uns tatsächlich das Leben einfacher zu machen. Doch der Preis ist hoch: Glaubenssätze machen unfrei. Sie machen dann unfrei, wenn sie nicht hinterfragt werden können oder dürfen. Jede Diktatur baut ihre Existenz auf der Errichtung von Glaubenssätzen auf, die niemals hinterfragt werden dürfen. Mit Diktatur ist keineswegs nur ein Staat gemeint. Alle Formen von Beziehungen tragen in sich den Keim des missbräuchlichen Glaubenssatzes.

Ich befürchte, dass die Zahl der Menschen, die nicht wissen, dass sie Gefangene sind, in die Milliarden geht.

Bauernregeln sind auch Glaubenssätze – doch schlau wie Bauern nun einmal sind, tragen einige dann doch die Erklärung ihrer Unsinnigkeit in sich: «Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist!» Während die alten Bauernregeln bis hin zum Hundertjährigen Kalender, der das Wetter voraussagen konnte, auf der gemachten Erfahrung von Generationen aufbauten, sind moderne Bauernregeln gerne auch als Managementerkenntnisse verkleidet.

Gehört es nicht zum Selbstverständnis von Unternehmensführern und -beratern, Gewissheiten zu verbreiten? Diese helfen, Positionen und Ausrichtungen zu erläutern.

Aus dieser alten Welt kommen wir, erkennbar an den damit verbundenen Glaubenssätzen:

  • Alles ist beherrschbar, ein festes Gefüge von Ursache und Wirkung.
  • Die Zukunft ist planbar. Wozu bräuchte man sonst Kalender?
  • Es gibt eine Wahrheit – sogar ohne Gott.
  • Das Leben ist eine Linie – nur schade, dass es am Ende einen Punkt gibt.
  • Die Welt ist eine Kugel – und damit gross genug.

Das ist doch eine schöne und sehr beruhigende Sichtweise! Bei kluger Anwendung schenken diese Glaubenssätze Zuversicht und Seelenfrieden. Bis urplötzlich eine neue Ansammlung an Glaubenssätzen sich in den Vordergrund drängt, verpackt als untrügliche Wahrheit aus der Zukunft.

Im Zeichen von Disruption, VUCA und Digitalisierung zeigt sich eine andere Welt:

  • Alles bleibt anders – wir wissen nicht mehr, was wir glauben sollen.
  • Zukunft ist gestaltbar – doch durch wen?
  • Jeder hat recht – das wurde aber auch Zeit!
  • Das Leben ist eine Kurve – und jeder hat Angst, da rauszufliegen!
  • Die Welt hängt in Netzen – doch wo ist oben oder vorne?

Die Sehnsucht nach Orientierung wird das bestimmende Thema der Zukunft. Sie ist das Fundament, auf dem Populisten ihre Grösse aufrichten und Fake News ihre neue Wahrheit verbreiten.

Doch wie sollte man mit Glaubensätzen nun umgehen?

Es gibt die Empfehlung, seine eigenen Glaubenssätze in zwei Gruppen einzuteilen: hilfreiche – die dann bleiben dürfen – und weniger hilfreiche – die dann gelöscht oder ausgewechselt werden müssen. Tatsächlich habe ich das so in meinem Fall gemacht. Das kann auch wirklich klappen. Alle meine Glaubenssätze beginnen daher mit dem einschränkenden Satz: «In Köhlers Welt ist das so …» Ob dieser Glaubenssatz auch einem anderen Menschen hilft, bleibt offen.

Um nicht ständig in die Falle der Glaubenssätze zu tappen, die darin besteht, dass man noch einen weiteren Glaubenssatz errichtet, bleibt nur eine einzige Kontrollfrage: «Woher weisst du das?»

Machen Sie ein kleines Experiment: Wann immer Sie wieder einmal etwas erzählen, egal in welcher Rolle oder Funktion, konfrontieren Sie sich genau mit diesem Satz: «Woher weisst du das?», und dann achten Sie bitte auf die Antwort: «Das weiss man doch … habe ich mal gehört, gelesen … hat jemand gesagt … also ich meine, glaube, denke …» Sie müssen jetzt nicht weiterfragen.

Gehen Sie an die Quelle Ihres «Wissens». Finden Sie nur Wüste vor, dann war‘s das wohl mit Ihrem Glaubenssatz. Vieles, was im Laufe der Geschichte zunächst als unumstösslicher Glaubenssatz galt, löste sich durch Wissensgewinn auf und verlor dadurch oft genug seinen Schrecken und seine Begrenzung. Solange wir uns nicht auf die Reise zu den Quellen unseres Wissens machen, diese immer wieder überprüfen, sind wir nicht wirklich frei. Doch auch der Wert der Freiheit ist ein Glaubenssatz.

 

Autor: Hans Uwe Köhler 

Hans-Uwe L. Köhler arbeitet als Trainer nach der haptischen Lehrmethode.
1972 beginnt Köhler Seminare und Vorträge zu den Themen Marketing, Management, Verkaufspsychologie, Verkaufstechniken, Gesprächsführung, Motivation, Führung, Rhetorik und strategische Unternehmensführung in Deutschland, Österreich, Italien, Spanien, Polen, Frankreich, der Schweiz, in den USA und in Japan zu halten.

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