Das kann auch gar nicht anders sein, denn das gesamte Marketing, dem wir alle immer wieder – bewusst oder unbewusst ausgesetzt sind – basiert in einem hohen Ausmaß auf zahlreichen visuellen Reizen und Aktivitäten. Wir sind also fest davon überzeugt, dass unsere Entscheidungen, unsere Emotionen durch das ausgelöst werden, was wir sehen, was unseren Seh-Sinnen präsentiert wird. Doch, ist das wirklich so? Gibt es da nicht vielleicht noch unterschwellige Elemente, die uns emotional berühren, ansprechen und daher eventuell die diversen Entscheidungsprozesse intensiver beeinflussen als wir uns das vorstellen? Reicht es für die Marketer und Verkäufer des Jahres 2016 und darüber hinaus noch aus, sich auf die visuelle Seite des Vermarktens zu konzentrieren? Oder ist da etwa ein Wandel angesagt?
Nehmen wir beispielsweise die Thematik Kino. Wir sitzen im dunklen Saal und konzentrieren uns auf die Handlung. Nehmen intensiv wahr, was auf der Leinwand passiert, jede Bewegung, jede Geste. Wir hören natürlich auch, was die Schauspieler sagen. Was wir dabei oft vergessen: In welcher Intensität die auditive Hörumgebung, die akustischen Atmosphären im Hintergrund, die eigentliche Dramatik des Films ausmachen. Ohne die zu den Szenen passend gewählte Musik, die perfekt unterlegten Nebengeräusche, hätten wir niemals das packende Gesamtergebnis, das manche Filme zu unvergesslichen Blockbustern macht. Wer nach einem Kinobesuch den Saal verlässt, wird Freunden und Bekannten sicher von dem „sehenswerten Film mit mega-spannender Handlung erzählen“. Den akustischen Effekten, die immens zu dem emotionalen cineastischen Erlebnis beigetragen haben, wird kaum einer auch nur einen Gedanken widmen. Das ist schade. Das ruft nach einem neuen Bewusstsein. Denn, was im Kino wichtig ist, zählt auch im „echten“ Leben. Nämlich die Bedeutung der auditiven Komponente für den Erfolg von Gesprächen und Verhandlungen.
Die ergebnisentscheidende Macht der Tonalität
Ein Verkäufer, der sich in einer aufreibenden Preisverhandlung befindet, wird voll konzentriert auf jedes einzelne Wort seines Verhandlungspartners warten. Was ihm dabei vermutlich nicht bewusst ist: Er hört im ersten Moment gar keine Worte, er hört Schall! Unser menschliches Gehirn versteht erst nach einer Viertelsekunde die Sprache, also die Bedeutung der gesprochenen Wörter. Es gilt also: Akustische Qualitäten werden lange vor der Sprache wahrgenommen. Wie klingen die Töne, die da produziert werden? Schwingen sie angenehm, transportieren sie Freude am Gespräch, einen gewissen Elan, eine kraftvolle Dynamik? Freundlichkeit oder Feindschaft? Etwa unterschwellige Aggression? Oder gar Schwäche? All das versteht unser Gegenüber im allerersten Moment, lange bevor die eigentliche Bedeutung der Worte bei ihm angekommen ist. Unbewusst. Aus genau diesem Grund funktioniert auch Ironie – der Ton sagt uns lange vorher, wie etwas gemeint ist. Derselbe Satz – jeweils anders intoniert – bedeutet dann von seiner Grundaussage her etwas völlig Anderes. Dies wissend, macht auch die Aussage, dass nämlich „der Ton die Musik macht“ ganz neuen und logischen Sinn.
Und doch klammern sich die meisten Menschen immer noch an die reine Botschaft von Wörtern und Sätzen und vernachlässigen bei sich selber wie bei ihren Teams die so wichtige akustische oder stimmliche Komponente eklatant. Mit einem Wort: Sie verzichten auf die erfolgsbringenden Vorteile der auditiven Macht der Kommunikation. Sie verfangen und verheddern sich im Vakuum der rein sprachlichen Botschaften, feilen endlos an Marketing- und Werbebotschaften, überlegen sich stundenlang die „Killer-Sätze“ der anstehenden Preisverhandlung. Aber überlegen sie auch genau so intensiv die akustische Art der Aus- und Ansprache? Meistens nicht. Und genau das ruft nach dringend notwendiger Veränderung!
Aufruf zum Kulturwandel in der Wahrnehmung!
So lange sich alle kommunikativ Beteiligten beim „Versenden“ wie bei der „Rezeption“ von Botschaften nur auf das rein Gesagte konzentrieren und dies nicht tiefer auf weitere darin enthaltene – wichtige! – Botschaften reflektieren – werden die Ressourcen, die in ganzen Mannschaften stecken, niemals optimal genutzt! In jedem Unternehmen befindet sich mittels dieser – leider noch meist brachliegenden – auditiven Macht der Kommunikation ein vielleicht bislang unterschätztes riesengroßes wirtschaftliches Potenzial, das erst dann aktiviert werden kann, wenn diese Macht den Entscheidern auch bewusst ist. Es ist an der Zeit für eine neue und gesamtheitliche Kommunikationskultur. Es ist an der Zeit für Führungskräfte im Marketing oder Vertrieb, sich mit ihrer akustischen Ausdruckskraft intensiver auseinanderzusetzen und dadurch in der eigenen Kommunikation bewusster und damit situativ entscheidungssicherer zu werden. Besser verstanden zu werden und besser zu verstehen! Und es ist definitiv an der Zeit, sich dem starken Wandel hin zu einer neuen Wahrnehmungskultur als Schlüssel zu mehr Erfolg und Wachstum zu öffnen.
Autor: Arno Fischbacher - www.stimme.at